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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 2 SsBs 51/09
Rechtsgebiete: OWiG
Vorschriften:
OWiG § 73 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg am 23. März 2009 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 1 OWiG) gemäß § 79 OWiG
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 12.01.2009 wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
Der Betroffene wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 12.01.2009, mit dem sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Landkreises O... vom 09.05.2008 verworfen worden ist.
Dem lag folgender Verfahrensgang zugrunde:
Mit Bußgeldbescheid vom 09.05.2008 war gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 61 km/h am 23.01.2008 auf der BAB 30, Gemarkung M..., eine Geldbuße in Höhe von 550,00 € und ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten festgesetzt worden. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10.09.2008 hatte er geltend gemacht, dass er als Pharmavertreter für eine V... GmbH arbeite. Er sei auf seinen Führerschein angewiesen. Er fahre jedes Jahr mehrere Tausende von Kilometern. Vor dem Hintergrund des in diesem Schriftsatz ebenfalls erhobenen Verjährungseinwandes (worauf später noch einzugehen sein wird) war die Einstellung des Verfahrens, hilfsweise die Erhöhung der Geldbuße und das Absehen von einem Fahrverbot angeregt worden.
Nachdem am 28.10.2008 Termin zur Hauptverhandlung auf Montag, den 12. Januar 2009, 14.45 Uhr, anberaumt worden war, beantragte der Betroffene durch seinen Verteidiger mit Fax vom 12.01.2009, 12.06 Uhr, ihn - den Betroffenen - von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Fahrereigenschaft eingeräumt werde, und "der Betroffene ....in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen" werde. Des Weiteren wurde in diesem Schriftsatz beantragt, ein Sachverständigengutachten bezüglich der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung einzuholen, wobei dieser Antrag umfangreich begründet worden ist. Weiter heißt es in diesem Schriftsatz, dass unabhängig von der Korrektheit der Messung von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen sei, da "kein verhandelnswerter Regelfall" vorliege. Vorliegend sei die Geschwindigkeitsbegrenzung offensichtlich lediglich wegen vorhandener Fahrbahnschäden erfolgt. Hierzu sei jedoch anzumerken, dass an der Messstelle keine entsprechenden wesentlichen Fahrbahnschäden vorgelegen hätten. Auch insoweit werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zustand der Fahrbahnoberfläche beantragt. Dem Betroffenen sei nicht bewusst gewesen, ohne dass hiermit ein Geschwindigkeitsverstoß der Höhe nach eingeräumt werde, dass an der Messstelle noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung gegolten habe.
Nachdem im Termin weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, verwarf das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen.
In den Gründen heißt es:
"Mit Fax vom 12.01.2009, 12.06 Uhr, stellte der Verteidiger einen Antrag, den Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung am 12.01.2009 um 14.45 Uhr zu entbinden, da der Betroffene keine weiteren Angaben zur Sache machen werde.
Der Antrag war abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG nicht erfüllt sind. Zum einen liegt keinerlei Äußerung des Betroffenen vor (§ 73 Abs. 2, 1. Alt. OWiG), daneben hat der Betroffene zwar über seinen Verteidiger erklärt, er werde keine "weiteren" Angaben machen, jedoch ist seine Anwesenheit zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich, § 73 Abs. 2, 2. Alt. OWiG.
Schließlich wird angeregt, das Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße entfallen zu lassen, was ohne eine weitere Aufklärung der persönlichen Verhältnisse (Jahresurlaub, Tätigkeit, finanzielle Verhältnisse, anderweitige Einsatzmöglichkeiten) nicht möglich ist."
Der Betroffene rügt mit seiner Rechtsbeschwerde die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Während die Sachrüge nur allgemein erhoben worden ist, ist die Verfahrensrüge im Einzelnen ausgeführt worden. Der Betroffene ist der Ansicht, das Amtsgericht hätte seinem Entbindungsantrag stattgeben müssen. In der Begründung der Rechtsbeschwerde heißt es u. a. wörtlich:
"Es ist richtig, dass angeregt wurde, das Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße entfallen zu lassen. Sofern das Gericht hierzu weitere Aufklärung der persönlichen Verhältnisse (Jahresurlaub, Tätigkeit, finanzielle Verhältnisse, anderweitige Einsatzmöglichkeiten) verlangt, handelt es sich hierbei um eine reine Spekulation, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung hierzu weitere Angaben getätigt hätte. Bereits mit Verteidigerschriftsatz vom 10. September 2008 ist darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Pharmavertreter handelt, der auf seinen Führerschein aufgrund des Umstandes, dass er jedes Jahr mehrere Tausend Kilometer für die V... GmbH zurücklegen muss, angewiesen ist. Sollte das Amtsgericht der Ansicht sein, dass derartige Angaben für das Absehen von einem Fahrverbot nicht ausreichen, liegt dies in seinem pflichtgemäßen Ermessen...
Sollte eine inquisitorische Befragung des Betroffenen durch das Amtsgericht beabsichtigt sein, würde dies dem verfassungsmäßig geschützten Schweigerecht des Betroffenen zuwiderlaufen. Die bloße Spekulation, dass der Betroffene entgegen seiner klar geäußerten Aussage, keine weiteren Angaben zu tätigen, in der Hauptverhandlung "Auge in Auge mit dem Gericht" " (zu ergänzen: weitere Angaben) "tätigen wird, rechtfertigt ohne weitere konkrete Anhaltspunkte, zu denen das Amtsgericht vollumfänglich schweigt, nicht, den Entbindungsantrag negativ zu bescheiden."
Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Rechtsbeschwerde für begründet.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist auch zulässig ausgeführt worden.
Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Die Nichtentbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen durch das Amtsgericht war nicht rechtsfehlerhaft.
Die richterliche Anordnung des persönlichen Erscheinens ist eine Prozesshandlung konstitutiven Charakters. Sie begründet die Erscheinenspflicht des Betroffenen, wenn sie rechtswirksam und damit für ihn verbindlich ist. Rechtsunwirksam ist eine fehlerhafte gerichtliche Prozesshandlung aber nur dann, wenn sie an einem besonders schwerwiegenden Mangel leidet, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (BGHSt 38. Bd. 251,256). Dieser zur alten Fassung des § 73 OWiG aufgestellte Grundsatz muss auch für die Entscheidung des Gerichts über die Nichtentbindung vom Erscheinen gelten. Gemessen hieran ist die Entscheidung des Amtsgerichtes, den Betroffenen nicht zu entbinden, nicht unwirksam.
Das Amtsgericht durfte vor dem Hintergrund des im Bußgeldbescheid festgesetzten Fahrverbotes im konkreten Fall die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte für erforderlich halten.
Grundsätzlich gilt, dass die Anwesenheit des Betroffenen dann nicht erforderlich ist, wenn seine Anwesenheit ausschließlich seiner Vernehmung dienen soll, er aber bereits unmissverständlich erklärt hat, sich nicht zur Sache äußern zu wollen und nichts dafür spricht, dass er seinen Entschluss in der Hauptverhandlung aufgeben könnte (vgl. nur Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Ss (B) 65/2007 (68/07), Beschluss vom 12.12.2007 (Juris). OLG Bamberg, 3 Ss OWi 764/07, Beschluss vom 07.08.2007 (Juris). Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, ZfS 2004, 481). Auch kommt es bei der Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbotes regelmäßig auf den persönlichen Eindruck vom Betroffenen nicht an (OLG Karlsruhe ZfS 05, 154. OLG Celle 322 SsBs 187/08, Beschluss vom 20.8.2008 (Juris)).
Vorliegend war es allerdings so, dass der Betroffene den Hinweis auf seine Berufstätigkeit, in Verbindung mit der Anregung, die Geldbuße zu erhöhen und von einem Fahrverbot Abstand zu nehmen, bereits in seinem Schriftsatz vom 10.09.2008 gegeben hatte. Die Erklärung, er werde in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben "zur Sache" machen, nachdem er eingeräumt hatte, das Fahrzeug geführt zu haben, folgte erst im Schriftsatz vom 12.1.2009. Es folgen in diesem Schriftsatz umfangreiche Ausführungen zur Ordnungsgemäßheit der Messung sowie zum Zustand der Fahrbahn an der Messstelle. dies vor dem Hintergrund, dass dort eine Geschwindigkeitsbeschränkung wegen schlechter Fahrbahnverhältnisse vorhanden war. Da sich die Erklärung des Betroffenen, keine weiteren Angaben "zur Sache" machen zu wollen, somit nicht ausdrücklich auf die persönlichen Verhältnisse, die für die Verhängung eines Fahrverbotes relevant hätten werden können, bezogen hat, sie vielmehr in den Zusammenhang mit dem eigentlichen Tatvorwurf gestellt worden ist, war es nicht lediglich reine Spekulation, dass der Betroffene zu seinen persönlichen Verhältnissen weitere Angaben machen würde.
Allein der Hinweis auf die Art seiner Berufstätigkeit war nicht ausreichend, um ein Absehen vom Fahrverbot zu begründen. Das Amtsgericht hat zu Recht auf die relevanten Punkte wie Jahresurlaub, finanzielle Verhältnisse oder anderweitige Einsatzmöglichkeiten hingewiesen. Mangels eindeutiger anderweitiger Erklärung war es nicht fernliegend anzunehmen, dass der Betroffene - wenn das Amtsgericht signalisiert hätte, dass es den Tatvorwurf für nachgewiesen erachtet - weitere Angaben gemacht hätte, um das Fahrverbot abzuwenden.
So hat auch das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Fall, in dem die Erhöhung der Geldbuße in Betracht kam, die Erklärung des Betroffenen, er werde zu seinen "wirtschaftlichen Verhältnissen" keine Angaben machen, für erforderlich gehalten (BayObLG, NJW 1999, 2292). Das OLG Koblenz hat im Zusammenhang mit einem im Bußgeldbescheid festgesetzten Fahrverbot, ebenfalls die Nichtentbindung vom persönlichen Erscheinen nicht beanstandet. Es hat darauf hingewiesen, dass das persönliche Erscheinen des Betroffenen gerade im Hinblick auf die Aufklärung näherer Umstände, die für die Verhängung eines Fahrverbotes relevant sein könnten, in seinem Interesse geboten sein könne. Das OLG Koblenz hat ausgeführt, das Amtsgericht habe davon ausgehen können, dass der Betroffene nach zutreffender Belehrung über die Rechtslage zumindest Angaben zu den Umständen machen würde, die für die Verhängung eines Fahrverbotes maßgeblich sein könnten (ZfS 2001, 476). Soweit diese Entscheidung mit der Begründung kritisiert worden ist, wenn das Amtsgericht ergänzenden Vortrag für geboten gehalten habe, hätte es den Betroffenen darauf hinweisen und ihm Gelegenheit zur Änderung oder Ergänzung des Entbindungsantrages geben müssen (Bode, Anmerkung zu OLG Koblenz, ZfS 2001, 476, ebenda), lässt sich diese Kritik auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Diesem Aufklärungsbedarf konnte das Amtsgericht nämlich gerade nicht im Vorfeld nachkommen, da der Entbindungsantrag erst um 12.06 Uhr, somit knapp 3 Stunden vor der auf 14.45 Uhr anberaumten Verhandlung, eingegangen ist. Entsprechende Erklärungen konnten auch nicht durch den Verteidiger des Betroffenen abgegeben werden - insoweit anders als in dem der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichtes Saarbrücken zugrunde liegenden Fall , weil auch der Verteidiger den Termin beim Amtsgericht nicht wahrgenommen hat.
Auch die Sachrüge führt nicht zum Erfolg. Auf die Sachrüge hin kann das Verwerfungsurteil nämlich nur auf das Vorliegen von Verfahrenshindernissen überprüft werden (OLG Koblenz, NStZRR 2004, 373).
Die hier allein in Betracht kommende Verjährung liegt jedoch nicht vor.
Die Kenntnis hierüber kann sich der Senat im Freibeweisverfahren verschaffen (Karlsruher Kommentar OWiG, 3. Auflage - Senge, § 79 Rd.Nr. 102).
Der Geschwindigkeitsverstoß ist am 23.01.2008 begangen worden. Unter dem Datum vom 18.02.2008 verfügte der Landkreis O... einen Zeugenfragebogen an die Firma .... Am 04.04.2008 ist die vorgenannte Firma durch einen Polizeibeamten aufgesucht worden und deren Geschäftsführer, der Betroffene, angetroffen worden. Dies ergibt sich aus einer Kurzmitteilung des Hauptkommissars S... vom 04.04.2008. Daraufhin ist unter dem 09.05.2008 ein Bußgeldbescheid ergangen. Aus einer weiteren Kurzmitteilung des Hauptkommissars S.. vom 30.09.2008 ergibt sich, dass der Betroffene am 04.04.2008 als Betroffener belehrt worden ist. Danach war die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Ziffer 1 OWiG unterbrochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Mit dieser Entscheidung ist das angeordnete Fahrverbot rechtskräftig. Gemäß § 21 StVG macht sich strafbar, wer ein Fahrzeug führt, obwohl ihm das Führen eines Fahrzeuges nach § 25 StVG verboten ist.
Ende der Entscheidung
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